Mein Name ist Lisa, ich bin 40 Jahre alt, Bibliothekarin, und ich lebe mit meiner Familie in Norddeutschland.
Ich habe funktionelle Krampfanfälle und eine schwer ausgeprägte Bewegungsstörung. Mein Muskeltonus schwankt zwischen hypoton (besonders im Rumpf/ Kopf - ich kann nicht frei sitzen und auch im
Rollstuhl mit angepasster Schale und Kopfstütze nicht sehr lange) und hyperton: Hände und Füße haben eine funktionelle Dystonie, sprich sie sind verdreht und die Hände gefaustet.
Weitere Symptome sind eine Schluckstörung, eine Blasenentleerungsstörung, Missempfindungen und brennende sowie einschießende Schmerzen, Fatigue, außerdem Probleme mit der Konzentration und
Aufmerksamkeit - ich könnte einem Eichhörnchen Konkurrenz machen ;)).
Zudem habe ich einige andere Erkrankungen, die nicht funktionell bedingt sind. So ist es manchmal nicht so leicht, die Symptome richtig zuzuordnen.
Meine Symptome waren im Nachhinein betrachtet schon seit einigen Jahren in milder Ausprägung da. 2020 allerdings kam „der große Knall“. Aufgrund meiner anderen Erkrankungen war ich in sehr
schlechtem Allgemein- und Ernährungszustand. Meine Hausärztin hat mich ins Krankenhaus geschickt. Bereits in der Notaufnahme haben meine Krampfanfälle begonnen, leider in Serie.
Nach einigen Anfällen war meine Atmung nicht mehr ausreichend, so dass ich intubiert wurde und wenige Tage im künstlichen Koma war.
Nach dem Aufwachen war alles „anders“, auch die Physiotherapeut*innen wussten nicht, warum ich so schwach war.
Außer den Krampfanfällen sind meine Symptome bleibend und fluktuieren wenig. Je nach Tagesform geht es natürlich mal besser, mal schlechter. Aber meine Hände und Füße sind beispielsweise auch in
Narkose (ich hab bei einer OP mal nachgefragt) dyston.
Was die Anfälle angeht, hatte ich heftige Phasen mit bis zu 20 Anfällen am Tag und bessere - die besseren Phasen überwiegen inzwischen zum Glück deutlich.
Nach viel Hilflosigkeit und Vorwürfen („dann muss ihr Mann mal kochen!“ - „Sie wollen doch nur nicht laufen!“ - „Ganz klar, Sie haben ein verdecktes Trauma, was ist es denn?“ - „die Anfälle sind nicht epileptisch, also brauchen Sie keine Hilfe“ - „sie müssen nur eine Psychotherapie machen und dann wird alles wieder gut“) bin ich im Herbst 2020 an der MHH (Medizinische Hochschule Hannover) diagnostiziert worden.
Ich bin sehr stark eingeschränkt und brauche viel Hilfe.
Ich habe Pflegegrad 4 und einen Grad der Behinderung von 100 mit entsprechenden Merkzeichen. Außerdem bin ich dauerhaft berentet. Für Pflegegrad und GdB musste ich - teils vor Gericht - kämpfen.
Es sei ja alles nur psychisch, also stünde mir nichts zu. Was für eine Abwertung auch psychischen Krankheiten gegenüber!
Meine Erfahrungen mit dem Gesundheitssystem sind durchwachsen und einige Erfahrungen haben fast schon therapeutischen Handlungsbedarf hervorgerufen. DAFÜR fand ich meine Psychotherapie sehr
hilfreich ;).
Zum Glück bin ich hausärztlich gut betreut und habe auch einen Neurologen, der mich ernst nimmt.
Ich bekomme dauerhaft Physiotherapie, Ergotherapie und Logopädie. Außerdem habe ich eine Psychotherapie abgeschlossen und habe in unregelmäßigen Abständen therapeutische Gespräche in der Autismusambulanz - ich habe eine Autismusspektrumstörung. und nutze die Gespräche aber meist eher, um mal wieder schlechte Erfahrungen aufzuarbeiten.
Ich war bisher dreimal zur Reha in Konstanz, die mir jedes Mal gut hilft.
Lasst euch nicht unterkriegen! Lasst euch nicht einreden, es sei alles eingebildet oder „nur“ psychisch. Und macht bei uns mit! :)
An Behandler*innen und vor allem Gutachter*innen: Hilfsmittel wie mein E-Rolli mit Steh- und Liegefunktion sind nicht immobilisierend – das Gegenteil ist der Fall.
Stand 03/24