Lina

Bitte stell dich kurz vor!

Ich bin Lina, 33 Jahre alt aus Schleswig-Holstein.

Was für Symptome hast Du?

Verkrampfungen der Muskeln hauptsächlich in den Füßen, Beinen, Händen und Armen, teilweise aber auch am gesamten Rumpf, Hals und Gesicht. Die Füße drehen sich dabei nach innen ein, sodass ich nur noch schwer gehen kann. Manchmal zittern die Muskeln auch unkontrolliert. Inzwischen habe ich manchmal auch eine Schwäche in Beinen und Armen. Die rechte Seite ist stärker betroffen als die linke.
Konzentrationsstörungen und starke Überempfindlichkeit auf diverse Reize, sowie schnelle Erschöpfbarkeit.

Wie lange hast Du schon Symptome, wie hat es angefangen?

Die Symptome in der Art, wie sie sich derzeit äußern, habe ich so oder so ähnlich seit ca. 17 Jahren, allerdings bin ich schon als Kind immer sehr empfindsam für unterschiedliche Reize gewesen und inzwischen denke ich, dass ich auch schon seit meiner Kindheit immer wieder Phasen mit FNS-ähnlichen Symptomen hatte, allerdings nicht so stark ausgeprägt.

Wie verhalten sich Deine Symptome (fortschreitend, fluktuierend etc.)?

Über die 17 Jahre hatte ich phasenweise Symptome, aber zwischendurch auch immer wieder jahrelang keine, sodass ich auch ganz normal arbeiten konnte. Nur bei Belastungen musste ich immer vorsichtig sein. Als ich 19 war, kamen die Muskelkrämpfe und das Zittern der Muskeln anfallsartig, waren plötzlich da, hielten bis zu Stunden an und verschwanden plötzlich wieder von der einen auf die andere Sekunde. Inzwischen habe ich während der Phasen mit Symptomen diese durchgängig, hauptsächlich wenn ich mich bewege, oder nach Überlastung auch in Ruhe.

Wann und von wem wurdest du diagnostiziert?

Ich habe die Diagnose stückweise über die 17 Jahre hinweg erhalten. Ich weiß jetzt, dass dies daran lag, dass sich seit meinen ersten starken Symptomen das Krankheitsbild erst langsam gewandelt hat und viele Ärzte noch stark das alte Modell präsent hatten oder das neue Modell nur teilweise kannten und erklären konnten.


Richtig verstanden habe ich die Diagnose erst durch wiederholtes Nachfragen bei diversen Ärzten, bis mir letztendlich vor ca. 3 Jahren, also nach 14 Jahren Krankheit, in Ruhe und grundlegend erklärt werden konnte, was FNS ist.

Zwischenzeitlich hatte ich auch eine andere Verdachtsdiagnose. Um einen Verdacht auf eine Dopa-responsiv-Dystonie auszuschließen oder zu bestätigen, bekam ich testweise L-Dopa. Durch die Einnahme wurden meine Symptome innerhalb von 30 min gelindert. Somit wurde der Verdacht größer und ich bekam 4 Jahre lang L-Dopa und konnte damit nahezu symptomfrei leben. Allerdings benötigte ich eine ungewöhnlich hohe Dosis und nach 4 Jahren verlor das Medikament seine Wirkung. Im Lübecker ZSE bei Frau Dr. Weißbach erfuhr ich dann, dass auch recht viele Patienten mit FNS von dieser Wirkung und auch dem Wirkverlust nach einiger Zeit berichten.

Wie einschränkend ist deine Erkrankung? Hast du durch FNS eine Behinderung?

Zu dem Zeitpunkt, zu dem ich diesen Bericht schreibe, habe ich gerade wieder eine neue Phase mit starken und hartnäckigen Symptomen, sodass ich seit ca. 11 Monaten bereits wieder krankgeschrieben bin. Ich bin Erzieherin und kann aufgrund der körperlichen Einschränkungen und auch wegen der großen Empfindsamkeit auf Reize nicht arbeiten. Einen kleinen „Spaziergang“ und alltägliche Erledigungen schaffe ich langsam und mit vielen Pausen, aber für längere Strecken und z.B. Unternehmungen mit Freunden und Familie benötige ich nun einen Rollstuhl. Inzwischen habe ich einen GdB beantragt und einen von 30 zugesprochen bekommen.

Wie sind Deine Erfahrungen mit dem Gesundheitssystem?

Ich habe über die Jahre viele Erfahrungen gesammelt. Inzwischen sind es neben vielen unschönen zum Glück auch gute. Früher wurde mir z.B. oft gesagt: „Sie wissen doch, dass sie NICHTS haben, machen Sie eine Therapie.“, „Versuchen Sie sich zu entspannen, dann wird das wieder und mehr Sport wäre auch gut.“, „Ach, Sie schon wieder, Sie wissen doch, dass wir nichts machen können.“, „Ihre Therapeutin scheint mir aber inkompetent, wenn sie Ihnen nicht helfen kann, aber machen Sie auf jeden Fall weiter, wir können Ihnen nämlich nicht helfen.“, „Dass Sie glauben, keine psychische Ursache gefunden zu haben, bedeutet ja nicht, dass da keine ist  - machen Sie die Therapie!“.


Ich bin froh nun endlich Ärzte gefunden zu haben, die mich ernst nehmen und auch wenn es keine Patentlösung gibt, den Weg mit mir gemeinsam gehen.

Bekommst Du Therapien und wenn ja, welche? Hast Du dadurch eine Verbesserung erfahren?

Am meisten profitiert habe ich derzeit von der Therapie-Studie von dem Team um Frau Dr. Weißbach, während der ich 10 Wochen lang eine spezielle Physiotherapie gemacht habe. Dadurch habe ich eine Technik gelernt, mit der ich nun zumindest wieder etwas entspannter gehen kann.


Aber auch neben der Studie mache ich Physiotherapie um Kraft und Ausdauer zu trainieren.

Hast Du Tipps für andere Betroffene, Angehörige oder behandelnde Ärzt*innen und Therapeut*innen?

Ich bin inzwischen tatsächlich einfach sehr froh, dass, auch wenn es sehr schwer war, ich mir über die Jahre treu geblieben bin und meinem Bauchgefühl letztendlich gefolgt bin. Und das würde ich auch jedem anderen raten. Auch wenn die Ärzte gesagt haben: „Ne, also das, was Sie fühlen kann gar nicht sein.“, war mein Bauchgefühl im Nachhinein immer richtig. Über FNS ist bisher einfach zu wenig bekannt, als dass jemand mit Sicherheit sagen kann, was möglich ist.

Stand 02/24